Rezension zu Mosaik der verlorenen Zeit von Elysio da Silva
Was für ein Titel und was für ein dickes Buch. Das ist mit Abstand die längste Geschichte, die ich seit einer ganzen Weile gelesen habe. 600 Seiten. Wie soll man einen Roman mit so vielen Handlungssträngen irgendwie sinnvoll zusammenfassen? Mosaik der verlorenen Zeit spielt in verschiedenen Zeitschienen. Zum einen in der Gegenwart mit Julián und Kyriel, in der früheren Vergangenheit mit Simon und Laura sowie zu Beginn der 60er Jahre bis in die 90er in Guatemala. Wer glaubt dies sei bereits herausfordernd, dem sei gesagt, dass all diese Personen miteinander verbunden sind.
Wie so oft, habe ich mir das Buch aufgrund des positiven Feedbacks in den sozialen Medien gekauft. Zudem fand ich den Titel toll. Leider bin ich mit diesem Buch nicht wirklich warm geworden. Und das aus zahlreichen Gründen. Zunächst einmal gibt es sehr viele Charaktere, die es auseinander zu halten gilt. Dies fiel mir besondern bei den gualtemaltekischen Figuren sehr schwer. Denn diese besitzen nicht nur eigene Namen, sondern auch Spitznamen, mit denen sie fortan gerufen werden. Bis auf die Hauptcharaktere Julián, Kyriel und Maria-Dolores (Yoyotli), bleiben die anderen leider sehr blass. Das ist das eigentliche Problem für mich gewesen, um der Geschichte wirklich folgen zu können. Ich wusste lange Zeit nicht einmal, wer Männlein und wer Weiblein ist. Die Figuren besitzen keine besonderen Eigenschaften, um sie auseinander zu halten. Da einige in unterschiedlichen Zeitschienen auch noch mit anderen Namen angesprochen werden, wird es kompliziert.
Ein anderer Punkt sind die Spannungsbögen. Es gibt beinah keine. Die Geschichte lebt von den zahlreichen Wechseln. Momente mit wirklichen Cliffhangern, Situationen, bei denen man das Buch nicht mehr weg legen wollte, gab es primär auf den letzten 30 Seiten. Das ist mir schlicht zu wenig. Ein Beispiel: wenn man sich im Jungle vor den Milizen versteckt und theoretisch jeden Tag entdeckt werden könnte, warum gibt es dann keine Auseinandersetzungen, Beinahentdeckungen, Wachpostengeschichten, Gefechte? Man spürt dort keine Angst, die Leute konnten machen, was sie wollten, wann immer sie es wollten. Zumindest so mein Eindruck.
Zwei Dinge haben mich beim Mosaik der verlorenen Zeit jedoch so gestört, dass ich einfach nicht umhin komme, sie zu erwähnen. Erstens: bei der wörtlichen Rede fehlt beinah überall das anschließende Komma. Ich hätte nicht gedacht, dass mich so etwas so unglaublich nerven kann. Aber es durchbricht den Lesefluss permanent. Auch springt die wörtliche Rede. Mal ist sie inder nächsten Zeile, dann folgt sie wieder direkt auf. Das verwirrt zusätzlich. Solch ein grober Fehler hätte dem Lektorat einfach auffallen müssen. Zweitens: die Handlung spielt unter anderem in Guatemala. Allerdings werden fremde Begriffe nicht ein Mal erklärt. Das stört das Verständnis, zumal einige wiederkehrend genutzt werden. Man fühlt sich in diesen Momenten ausgeschlossen, soll man doch folgen, behält aber den Anschluss nicht.
Auf das Ende habe ich voller Spannung hingefiebert, werden doch hier alle Handlungsstränge zusammengewebt. Ohne zu viel zu verraten, gibt es ein großes Come Together. Leider werden nicht alle Fragen vollends beantwortet und so stehe ich mit einigen Wichtigen nachwievor da: – Was hat es nun mit dem Feuertraum auf sich? Und warum hat Julián als einziger physische Spuren? – Was hat es mit der Tochter von Laura auf sich? Warum gibt es sie nun? – Was passiert mit Juliáns Onkel? – Was wird aus der Begegnung Simon und Simona? – Warum kommen alle am Ende überhaupt zusammen?
Das Ende macht den Eindruck, als wurde es übereilt verfasst. Das man sich nicht die notwendige Zeit genommen hat, wirklich ALLES zusammenzufügen und aufzuklären. Oder war es beabsichtigt, einige Mosaike liegen zu lassen? Wenn man sich für die Geschichte allerdings so viel Zeit nimmt, sollte man dies am Ende ebenso tun. Ich komme leider über drei Sterne für diese Geschichte nicht hinaus, einfach weil mir zu viele grundlegende Dinge nicht passen. Es mag daran liegen, dass ich vielleicht einiges nicht verstanden habe, oder mehr Geduld hätte haben sollen. Dennoch verbleibt dann weiterhin ein halbes Ende.
Zu guter letzt möchte ich aber auch nocht etwas Positives sagen. Mosaik der verlorenen Zeit schafft es eine besondere Zeit einzufangen, die an Grausamkeit und Ungerechtigkeit wohl ein stummer Spitzenreiter sein dürfte. Die Idee diese schwierige Zeit mit Setting zu nutzen, verdient Respekt und Anerkennung, denn es bedarf einiges an Recherche, um genau dieses entstehen zu lassen. Und Elysio hat Talent, das möchte ich nicht unerwähnt lassen.